8. März 2024

Deine Maus
 
War ich Demo. Über vier Straßenspuren wurden vier oder fünf Transparente vorangetragen. Sie hatten viel Text, und ich musste nahe rangehen, um sie lesen zu können. Dies schien mir wieder ein Fall zu sein, in dem die politische Aussage der Selbstvergewisserung dient und nicht unbedingt nach außen wirken soll. Die Texte waren zur Hälfte auf englisch. Nachdem ich mich ebenfalls vergewissert hatte, und zwar dass sich in der Demonstration auch Menschen mit Bart statt Busen befinden, machte ich mir die Anliegen zu eigen und ging mit.

Am Ende des Zuges wurde, wie erwartet, gegen Israel dämonstriert: "Israel rapes", behauptete ein Transparent. Ich kann dem nicht widersprechen, weil mir die Information zum Thema fehlt. Unausgeschrieben, aber deutlich wurde damit gesagt, dass die Hamas nicht vergewaltigt, oder nur solche, die es verdient haben, oder als heldenhafte Befreiungstat. Ich las auch heraus, dass Frauen es im arabischen Raum grundsätzlich gut haben, unabhängig und frei von Angst leben können. Oder dass die arabischen Männer ihre Frauen/Schwestern/Töchter nicht schlügen und vergewaltigten und unter Schleier zwängen, wenn es Israel nicht gäbe.

Auf dem Weg zurück nach vorn sah ich einige Bärte ohne Busen mit Ordnungsbinde, die versuchten, den Zug hinter der vierspurigen Spitze auf zwei Straßenspuren zu drängen. Es gab auch Busen ohne Bart mit Ordnungsbinde, aber die spielten sich nicht auf. Bei einer kurzen Rede, während derer ich auf und ab ging, weil Stillstehen mir Rücken und Geduld strapaziert, habe ich, nichts Neues erwartend, weggehört.

Dann wurde skandiert: "My body, my choice, race your voice." Zu deutsch: "Mein Körper, meine Entscheidung, renne (Rasse?) deine Stimme." So ist das, wenn man sich fremdsprachlich äußern will, vermutlich weil es cool ist, aber diese Sprache nicht richtig beherrscht. (Bei Letzterem geht es übrigens nicht um Herrschaft im politischen oder sozialen Sinn, sondern, das ist eben die Crux auch mit der Muttersprache, um eine andere, völlig positive, Bedeutung des Wortes "beherrschen".) Bei dem Schlachtruf war wahrscheinlich etwas ähnlich Klingendes gemeint, nämlich: "Raise your voice." Das ergibt natürlich auch keinen Sinn, obwohl es sich reimt. Denn wenn du deine Entscheidung autonom treffen willst, dann erhebe doch selber deine Stimme. Was willst du mit meiner? Richtig müsste es also heißen: "My body, my choice, shut your mouse."

So war meine Solidarität nach hundert Metern schon erschlafft. Bin dann Synagogendenkmal.

 

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