6. September 2013 Akrobat - schöön! Ab und zu bekomme ich den bildungsbürgerlichen Drang zu Gedichten und ab und zu den zu anderen Sprachen. Da kam mir neulich auf einem Flohmarkt das Bestiarium / Le Bestiaire ou cortège d’Orphée gerade recht. Im Band sind dreißig Gedichte zu Holzschnitten von Raoul Dufy, jeweils über ein bestimmtes Tier oder über Orpheus, vier oder fünf Zeilen lang. Sie handeln vom Schreiben und vom Sterben und sind angeblich voller Anspielungen auf Mythen und dergleichen. Die Übersetzung von Karl Krolow bemüht sich natürlich um die Einhaltung der lyrischen Form zuerst und kann deswegen inhaltlich nicht präzise sein. Darum ist es nützlich, das Original vorliegen zu haben. Andererseits reicht mein Französisch nicht für alle Vokalbeln und alle Verbformen aus. Deshalb finde ich es hilfreich, eine Übersetzung vorliegen zu haben. Was die Anspielungen betrifft, erläutert der Autor einige in einem Anhang selbst. Andere verstehe ich auch so, z.B. dass der Ibis ein Vogel des Todes ist, weil das lateinische ibis "du wirst gehen" heißt. Die meisten sind mir aber wohl entgangen. Ich habe aber auch nie begriffen, was solche Anspielungen mehr sein sollen als gebildete Spielerei. Wenn ein Dichter mit Orpheus verglichen wird, ist damit mehr gesagt, als dass er ein Dichter ist? Insgesamt finde ich die Gedichte sprachlich schlicht und inhaltlich ebenso. Da sollen etwa die Verse des Autoren so nahrhaft sein wie Heuschrecken einst dem heiligen Johannes, und danach ist das Gedicht schon zu Ende. Das passt für mich zum Niveau des Kalauers mit "ibis". Ein Kenner kann aber sicher, wenn er alles findet, was in den Zeilen versteckt ist, staunen, wie geschickt diese Texte gemacht sind. Ich schlage vor, im Programm vorher den Dummen August auftreten zu lassen und nachher die Dame ohne Unterleib. Ich bin aber kein böser Mensch und gebe zu, dass eines der Gedichte einen originellen Gedanken enthält, weshalb ich es hier, meinem bildungsbürgerlichen Auftrag gemäß, in vollem Umfang wiedergebe. La souris Belles journées, souris du temps, Vouz rongez peu à peu ma vie. Dieu! je vais avoir vingt-huit ans, Et mal vécus, à mon envie.
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