19. September 2015 Möhre heißt "Karotti", aber ich sage trotzdem Wurzel Gestern war Gebre zum Essen bei mir. Er brachte einen etwas älter wirkenden Freund mit, der bereits vier Monate in Deutschland war und mir heute vorkommt, als hätte ich mit ihm auf deutsch auch die Vorzüge des führerlosen Autos diskutieren können. Die Frau vom Amt hatte ihn angerufen und ihn gebeten, Gebre zu mir zu begleiten. So etwas hatte ich mir ja gewünscht, und es erwies sich auch als praktisch, nicht nur weil der Freund zwischen uns übersetzen konnte, sondern auch, weil wir dann nicht die ganze Zeit Sprachstress hatten, sondern gelegentlich auch mal einfach ein paar Sätze in unseren Muttersprachen plaudern konnten. Ich hatte Spusi dazugebeten, schon weil ich beim Kochen immer, na, ja. Es gab gebratenen Reis, denn das kriegt selbst der Ungeschickteste hin. Außerdem ist es für so eine Runde gut geeignet, weil es viel zu schneiden gibt, man braucht nur genug Messer, und wenig zu warten. Ich bin nicht grundsätzlich gegen die einheimische Küche, aber ein Schwein in den Ofen zu stecken und eine Stunde rumzusitzen, wäre nicht das gewesen, was ich mir unter gemeinsamem Kochen vorstelle. Ich kam selbst kaum zum Schnippeln, weil ich immer Vokabeln aufschrieb, natürlich nur dem Klang nach, denn meine Kenntnis der zum Tigrinya gehörenden Schrift beschränkt sich vorerst auf zwei von über zweihundert Zeichen. Gebres Freund hatte eine App mit Bildern von Gemüse und den deutschen Bezeichnungen, die sogar vorgelesen wurden. Ich stellte später mit Spusi Vermutungen an, ob man wohl zur Flucht ein intelligentes Telephon braucht. Während mein Ältester, der von uns allen am besten kocht, den Wok betrieb, fegten Gebre und sein Freund und wuschen ab. Danach erklärten sie, dass ein Mann, der in Eritrea Frauenarbeit, wie zum Beispiel Kochen, macht, von seinen Freunden verspottet wird. Frauenarbeit müssen diese Männer auch lernen, zusätzlich zur deutschen Sprache. Zum Essen bekam jeder eine eigene Schüssel und Besteck. Seltsamerweise sprachen wir ab da nicht mehr viel. Als wir alle satt waren, zeigte ich Gebre, wie der Gasherd angeht, was ihn erstaunlich viele Versuche kostete. Wir üben das nochmal, aber die Dusche hat auch ihre Tücken. Es hört ja nicht auf mit dem Lernen. Dann verkündete er, er wolle ab nächste Woche hier schlafen, und nahm die Schlüssel entgegen. Wir saßen noch etwas höflich herum. Kaffee hieß gestern nicht "Buhn", sondern "Bun". Nun vermute ich, dass Längen und Kürzen im Tigrinya keine so entscheidende Rolle spielen. Betonungen sind auch nicht festgelegt, das habe ich schon gefragt. Kaum war er raus, klingelte Gebre: die Schlüssel, die Schlüssel! Nach reichlichem Umhergehüpfe fand er sie in einer seiner Hosentaschen. Das gefiel mir. So ein bisschen verplant ist doch sympathisch. Ich aber muss planen. Das Geld ist ja knapp. Wie werden wir das mit dem Haushaltsgeld machen? Getrennte Kühlschrankfächer sind Mist. So viel Platz ist da nicht. Gemeinsam kann aber auch Mist sein. Entweder streitet man sich, weil einer den Saft vom anderen getrunken hat, oder man streitet sich, weil einer für beide zu teuren Saft gekauft hat. Oder zu scheißen Saft. Oder unfairen. Was man so für Kriterien hat, wenn es so viel Auswahl gibt wie bei uns.
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