18. Oktober 2015 Frische Luft Gestern habe ich einen ausführlichen Brief an die Frau vom Amt geschrieben. Es muss ihr doch irgendwie klar zu machen sein, dass ich mir diesen Flüchtling nicht leisten kann, wenn die Kosten nicht gedeckt sind. Morgen werde ich einen ausführlichen Brief an eine andere Frau von einem anderen Amt schreiben. Ihr muss ich irgendwie klar machen, dass ich ihr keine Unterlagen geben kann, die ich nicht habe, und dass sie ihren unangemessenen Ton ändern soll. Ich versuche nämlich nicht nur, mit meinen bescheidenen Mitteln der Gemeinde zu helfen, mit den vielen Flüchtlingen zurechtzukommen, sondern die Gemeinde versucht auch, mir diese bescheidenen Mittel wegzunehmen. Heute bin ich aber mit Spusi und Hossein zu einer Burg in unserer Gegend gefahren. Vorher aßen wir zu viert in der Unterkunft. "Ali kocht", hieß es. Ali konnte nicht kochen, aber das verdross uns nicht. Dann übten wir Fragewörter. Hossein verwechselt "wohin" mit "wo wohn(st)". Er kam dann mit Körperteilen, wobei er einen Unterschied zwischen "der Bauch" und "die Bäuchen" machte, den ich nicht nachvollziehen konnte. Für "das Schwarz" und "die Musche" schrieb ich ihm die beim Arzt gebräuchlichen Vokabeln auf, aber ich konnte ihm nicht begreiflich machen, dass diese Körperteile im Deutschen selten Gesprächsthema sind. Hossein zeichnete eine Landkarte von Syrien mit den wichtigsten Städten und den Nachbarländern. Ich sagte, Palästina heiße auf deutsch Israel. Nachher fühlte ich mich schlecht. Der Heimat seiner Familie den Namen zu verweigern, der für die Familie wichtig ist, ist nicht freundlich. Hossein ist ja kein schlechter Mensch, bloß weil er kein Jude ist. Von der Burg herunter konnten wir ein paar Kilometer weit sehen. Die Unterkunft lag schon hinter dem nächsten Berg, Syrien hinter einem anderen. Ich wollte noch in ein paar andere Richtungen zeigen, aber was soll's, uns allen fehlt das Geld für ausgedehnte Reisen. Sonntags gehen die Deutschen in den Wald, behauptete ich, und dann gingen wir eine Stunde im Wald. Hossein schwieg viel, freute sich an der frischen Luft und sagte dann, er sei mit einer Gruppe von ungefähr neunzig Menschen sechs Tage lang durch Mazedonien gegangen. Danach gab es Kaffee und für mich Kuchen. Soviel Luxus muss sein.
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