5. Oktober 2007

32 kurze Sätze über Glenn Gould
 
Gestern war Glenn Goulds 25. Todestag. Dazu fällt mir nichts ein.

Vor gut einer Woche wäre er 75 geworden. Das bedeutete mir nichts. Bei Stars erinnert man sich an den Todestag halt viel besser als an den Geburtstag. Denn bei ihrer Geburt waren sie noch keine Stars. Ich aber hörte von ihm und hörte ihn erst, als er bereits tot war.

Andere Jungs seines Alters begannen, ihre Jacken und Hemden offen zu tragen. Glenn Gould bestand bei jedem Wetter auf Mütze und Schal. Andere Jungs brauchten Whisky, um besser zu spielen. Er badete zu demselben Zweck seine Hände in warmem Wasser. Andere Jungs spielten ihr Klavier mit den Füßen. Er fiel dadurch auf, dass er zu seinem Spiel leise sang.

Kurz bevor die Beatles aufhörten, vor Publikum zu spielen, weil sie sich nicht mehr zutrauten, ihre Studiosounds live zu reproduzieren, zog sich Glenn Gould für immer ins Studio zurück, weil da weniger Menschen waren. Und auch er nutzte die Studiotechnik in einer Weise, wie es beim Livespiel nicht möglich war.

Das Fono Forum hat jetzt sieben Pianisten nach ihrer Meinung über Glenn Gould befragt. Sechs von ihnen haben sich abschätzig geäußert. Er habe eher Gould als Bach gespielt, eher Gould als Strauss und so weiter. Er selbst aber fand, er brauche nicht noch einmal so zu spielen wie viele vor ihm. Auch ich sehe mich in der Lage, wenn ich Brendels Auffassung von Beethoven hören will, mir Brendels Platte zu kaufen. Glenn Gould war in der Kunst, was die Kunst selbst ist, nämlich frei. Dann könnte man ja gleich Free Jazz spielen? Na, klar könnte man das. Und die es tun, sind nicht die Dümmsten.

Glenn Gould war, im Nachhinein, einer meiner Helden. Mehr fällt mir zu ihm nicht ein.

Von Glenn Gould habe ich die Idee, einige Zeit nördlich des Polarkreises zu verbringen. Aber nicht um die Mitternachtssonne im Juni zu sehen, sondern um zu erleben, wie im Dezember die Sonne nicht aufgeht. Glenn Gould wanderte einst entlang des Flusses Don durch Toronto, to "see the city’s ripped backsides" (Iggy Pop). Auch eine gute Idee.

Sonst fällt mir nichts ein. Ich habe keine Platte von Glenn Gould.

 

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