27. September 2013

Sie hatte ein Auge auf einen nicht mehr ganz jungen Straßenfeger geworfen
 
Manchmal fällt mir ein Buch in die Hand, das billig ist, weil es niemand haben will, das aber gleichzeitig unberührt aussieht, interessant aufgemacht ist und ein gleichmäßiges Schriftbild mit nicht zu kleinen Buchstaben aufweist. Und thematisch interessant wirkt. Und dünn genug ist, um, auch wenn es sich als Zeitverschwendung erweisen sollte, letzteres in nicht in nicht zu großem Umfang zu sein. Diese Bedingungen erfüllte vor einigen Monaten Die einzige Blume im Sumpf mit zehn zwanzig bis dreißig Jahre alten Geschichten von Salwa Bakr auf insgesamt 100 Seiten. Jetzt bin ich durch. Es war also eine leichte Lektüre.

Aus unterschiedlich großer Distanz werden arme bis wenig wohlhabende Menschen in Städten beschrieben. Als Schauplatz wird manchmal Ägypten genannt, ohne dass Genaueres gesagt wird. In einer historisch festgelegten Zeit spielt nur eine Geschichte. Trotzdem erzählen einige von einer früher besser gewesenen Zeit. Ein in zwei Geschichten aufscheinendes ökologisches Bewusstsein betrifft auch Bildungsgüter, die als verschwindend gezeigt werden.

Die Übersetzung ist ähnlich holprig und befremdend wie bei einem aus dem Japanischen übersetzten Buch, das ich wegen der Sprache nicht ausgelesen habe. Vielleicht irritiert mich hier eine fremde Erzähltradition, die mir um Einiges zu blumig ist und der das westlich-moderne Zeigen-statt-Erzählen nicht so sehr eigen ist. Offensichtlich hat aber auch der Übersetzer, so kompetent er im Arabischen sein mag, mit dem Deutschen seine Schwierigkeiten, dessen Grammatik ihn überfordert: "das Blech mit Basbusa, auf die man auch hätte verzichten und sich nach dem Mittagessen mit Tee als Nachtisch begnügen können." Solche Sätze stehen in Zeitungen. Für literarische Werke sollte man sich beim Formulieren doch mehr Zeit nehmen und so meine Lesezeit sparen. Doch, holprige Sätze zu lesen hält mich auf. Okay: der Relativsatz, in dem etwas zu den Babusa erläutert wird, beginnt mit einer Präposition vor dem Relativpronomen und endet eigentlich mit "verzichten". Es ist, wegen der Präposition, ein "Verzichten auf" etwas. Gehörte der Rest des Satzes in denselben Relativsatz, beschriebe er ein "Begnügen auf" etwas. So ist es natürlich nicht, und es geht auch nicht mehr um eine nähere Beschreibung der Babusa. Nach "verzichten" gehört ein Komma hin, und dann muss der Leser nur noch begreifen, dass "man auch hätte" und "können" sowohl innerhalb wie außerhalb des Relativsatzes stehen. Dabei wäre es so einfach gewesen: "das Blech mit Basbusa, auf die man auch hätte verzichten können, um sich nach dem Mittagessen mit Tee als Nachtisch zu begnügen."

Noch besser finde ich den Satz: "Da ihr Bruder den Rest des Liedes kannte und ebenso viele andere Kinder es schon gehört zu haben schienen, begleiteten sie lautstark die Sänger auf der Bühne." An einer solchen Stelle zweifle ich dann auch am Vermögen der Autorin. "Ihr Bruder" und "ebenso viele andere Kinder" sind zusammen zwei. Ich habe eine Vorstellung davon, wie lautstark zwei singende Kinder sind, nämlich nicht so sehr. Nebensächlich? In literarischen Werken gibt es keine unwichtigen Sätze.

Trotzdem gefällt mir das Buch, weil es mir einen Einblick in das Leben einfacher Frauen Nordafrikas gibt. In den anderen Medien treten ja immer nur Soldaten und schimpfende Bärte auf. Besonders gerührt hat mich die Geschichte einer jungen Hausangestellten, die in Hörweite einer Schule arbeitet und sich Gedanken über die dort vermittelten Dinge macht. So fragt sie sich, was wohl die in einem Gedicht erwähnten "Flanken" sein könnten, oder sucht sie in einer Zwiebel nach der sie faszinierenden Quadratwurzel, bevor sie deren Wesen erfasst. Man kann nur vermuten, dass die Jungen in der Schule nicht wissen, wie kostbar es ist, was ihnen dort geboten wird.

 

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