12. Oktober 2015

Platz ist in der kleinsten Hütte, aber nicht immer viel
 
Wie wir den Tisch auch drehten und wendeten, immer wenn jemand irgendwo hinwollte, musste jemand anderes aufstehen und seinen Stuhl an den Tisch rücken. Aber es war schön beim gestrigen Frühstück. Endlich war in dieser Wohnung mal etwas los.

Der Älteste war hier, um auf eine Party zu gehen und um, wie abgemacht, den Fußboden seines ehemaligen Zimmers dort zu schleifen, wo er unter seinem Schreibtischstuhl aufgesplittert war. Das hatten wir nun mit viel Irren, Fluchen und unnötigen Kosten getan. Man nimmt in solchen Fällen übrigens keinen Tellerschleifer. Das müssten auch die Mitarbeiter im Baumarkt wissen. Vielleicht gerade die.

Gebre hatte über mehrere Tage Besuch von einem Landsmann aus Frankfurt/(Moder). Sie wollten keine Brötchen essen, sondern lieber Pasta mit Berbere, der eritreischen Variante von Curry.

Außerdem hatte ich Hossein, Gebres Zimmergenossen aus der Unterkunft, eingeladen. Ich war neulich bei ihm gewesen, um mit ihm Deutsch und Arabisch zu üben. Er ist in meinem Alter, hat eine schöne Stimme und eine anmutige Gestik. Anders als Gebre, der Deutschunterricht erhält und dorthin ein Telefon mitnimmt, ist Hossein Autodidakt mit Buch, einem großen Heft und Schmierzetteln. Warum wohnt nicht er bei mir?

Spusi war auch da, wie jeden Sonntag, und hatte ein Ersatzschloss für Gebres Fahrrad mitgebracht. Da war nämlich nicht nur der Reifen platt, sondern auch der Schlüssel abgebrochen. Mein Plan war es, das alte Schloss aufzubrechen und das Fahrrad dann Hossein zu geben, der nämlich nicht nur keinen Deutschunterricht und keine Wohnung, sondern auch kein Fahrrad bekommen hatte. Beide, Gebre und Hossein, stimmten dem Plan zu. Ich bin mir auch sicher, dass sie mich verstanden hatten. Wir knackten also zusammen das alte Schloss, und dann konnte man das Fahrrad wieder benutzen. Nun wollte Gebre es doch nicht hergeben. Das andere Rad sei nur geliehen. Da stand ich vor Hossein natürlich blöd da. Gebre wollte auch nicht das Schloss haben, das Spusi gekauft hatte, höchstens geschenkt. Für ihn tat es sein rostiges Speichenschloss ebenso. Das geliehene Fahrrad war überhaupt nicht geschützt. Vielleicht ist es falsch, dass die gespendeten Fahrräder verschenkt werden. So sind sie wohl nichts wert.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich diese Menschenansammlung in meiner Wohnung untypischerweise gut überstanden habe. Ob Hossein sich wohlgefühlt hat, bin ich mir sehr unsicher. Er akzeptierte, dass wir Salami auf dem Tisch hatten, natürlich getrennt vom Käse, aß aber auch von diesem nicht. Zum Wiedersehen mit Gebre machte er ein fröhliches Gesicht. Sie tauschten einige schnelle Sätze auf arabisch. Aber wie Gebre arabisch spreche, nein, das sei nicht gut. Beim Abwasch habe ich mich diesmal durchsetzen können. Großvater muss sitzen, sagten die beiden Eritreer, ich aber sagte, ich sei hier der Boss. Hossein lachte, als ich ihm erklärte, wie ich zuletzt immer genannt werde.

 

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