19. Januar 2012

Ein dickes Buch mit gewöhnlichem Gefasel
 
Zu den vielen Büchern, die ich im letzten Jahr geschenkt bekommen habe, gehört auch Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge von Bill Bryson. Dazu gab es die Bemerkung, dieses Buch bringe einen mal auf andere Gedanken. Ich weiß nicht, was an meinen bisherigen Gedanken schlecht sein soll, aber wofür hat man Verwandte, wenn nicht dafür, dass sie einen darauf hinweisen, welch minderwertige Gedanken man hat. Vielleicht hatte der liebe Gott auch gerade "andere Gedanken", als er die Verwandten erschuf.

Soweit geht das vorliegende Buch nicht zurück. Es streift allenfalls mal den Beginn der Mittelsteinzeit, beschäftigt sich aber auf seinen knapp sechshundert Seiten ("kurz") vor allem mit dem, was in einem englischen Landhaus vorzufinden ist. Dabei verwechselt es England mit der ganzen Welt, und es sind auch fast ausschließlich Engländer, die der Welt die entscheidenden Erfindungen gebracht haben. Das ganze ist sehr locker geschrieben, unterhaltsam, und ehe ich michs versah, hatte einhundertundzwanzig Seiten durchgelesen, ehe ich das Buch für immer weglegte.

Zu dem lockeren Ton gehören auch wiederkehrende Ausrufe, dass ein bestimmter Sachverhalt unvorstellbar sei oder dass Autor etwas Bestimmtes nicht wisse. Nun lese ich ein Sachbuch aber nicht, um zu erfahren, dass ein Mann, den ich nicht persönlich kenne, einige Dinge nicht weiß, sondern um nach der Lektüre selbst mehr zu wissen.

Zu den Dingen, die er nicht versteht, gehört, warum die Menschen den Ackerbau eingeführt haben, wo doch die Verarbeitung vom Korn zum Brot so kompliziert sei und man das unmöglich schon beim Beginn des Ackerbaus gekonnt haben könne und doch gekonnt haben müsse. Dabei übersieht er locker-unterhaltsam, dass die Menschen natürlich schon vor der Kultivierung Getreide gegessen haben, wildes halt. Und noch viel mehr übersieht er die vielen nachgemachten Steinzeitdörfer, in denen schon die Grundschulkinder durch Mitmachen lernen, wie die Menschen damals aus dem Getreide Brei gemacht haben. Diese Technik, nur nebenbei, herrscht bei Reis auch heute noch international vor.

Es wäre aber zuviel, von dem Autoren zu verlangen, das alles zu wissen. Seine Literaturliste umfasst über vierhundert Quellen. Die kann er unmöglich alle durchgearbeitet haben in dem einen Jahr seit seinem letzten Bestseller Eine kurze Geschichte von etwas ganz anderem, von dem ich auch keine Ahnung habe. Seine Literatur durchzuarbeiten war aber, nach der Lektüre des Buches zu urteilen, auch nicht seine Absicht. Sein Ziel scheint es gewesen zu sein aus möglichst vielen unterschiedlichen Quellen möglicht viele unterschiedliche Faktoide und Tatsachenschnipsel zu sammeln, um sie dann als unterhaltsame Perlenkette zu präsentieren. Für einen Artikel in einer Illustrierten ist das sicher eine praktikable Vorgehensweise. Im Vergleich mit einer Illustrierten fehlen diesem Buch aber die bunten Bilder.

 

Neueste Einträge
Deine Maus  * Lorbeerbekränzt  * Sperrmüll  * Wenn der König türmt  * Eindrücke
mehr
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Suche

   
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

<<     >>

- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Blogroll
Chronos Krumlov   Harry Oberländer
Timon of Athens   William Shakespeare
Milkman   Anna Burns
Was ist Populismus?   Jan-Werner Müller
The Collector of Treasures   Bessie Head

Rockroll
Artikulation   György Ligeti
Thick as Thieves   Larkin Poe
Like Water   Trillion
Pithoprakta   Iannis Xenakis
Little War, Little Less   James Apollo
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

zhanna (a) peripatetik.de